Samstag, 25. August 2018

sursum corda

Donnerstag, 23. August: Vaduz - Oberriet
Nachdem mir am Mittwochnachmittag ein Stück Zahn herausgebrochen war, versuchte ich in Vaduz einen Zahnarzt ausfindig zu machen, bei dem ich noch am gleichen Abend vorbeigehen könnte. Nichts zu machen, entweder war niemand da oder es gab keinen freien Termin mehr. So suchte ich einen Zahnarzt in meinem voraussichtlich nächsten Etappenziel, in Oberriet. Die Zahnarztgehilfin war zwar etwas erstaunt, bot mir aber einen Termin am späteren Nachmittag an.

Klar, das sind die Ereignisse, die sich erzählen lassen, es "geschieht" etwas. Dabei ist meine Hauptbeschäftigung tagsüber das Gehen, will heissen, einen Fuss vor den andern setzen, und das ununterbrochen, stundenlang. Das ist wenig spektakulär. Unterhalb des asphaltierten Rheindammwegs befindet sich der Naturweg für die Fussgänger. Ich höre also stundenlang nichts als das immer sanftere Dahingleiten des Rheins und meine Schritte im Kies. Nach 10'000 Schritten beginnt mein Schrittzähler zu piepsen und ich schrecke kurz auf, weil ich derart in Gedanken versunken bin. Das ist - äusserlich gesehen - etwa alles.
Ohne es zu bemerken beziehungsweise ohne dass es irgendwo markiert gewesen wäre, bin ich nach Österreich gewandert. Erst als ich einen Radfahrer nach dem Weg frage, weist er mich darauf hin. Die nächste Brücke heisst Zollbrücke, ich frage den Zollbeamten nach etwas Trinkwasser und kehre wieder in die Schweiz zurück.

Der Zahnarzt in Oberriet ist schon etwas überrascht, als er hört, wie ich auf ihn gestossen bin und welches mein Vorhaben sei. Unkompliziert und routiniert flickt er meinen Zahn.
Auf dem Rückweg zu meinem Hotel kommt plötzlich stürmischer Wind auf, dunkle Wolken nähern sich vom Alpstein her. Schwere Regentropfen klatschen auf den staubtrockenen Asphalt. Auf einmal geht alles sehr schnell und ich schaffe es gerade noch, unter dem Vordach einer Kirche Schutz zu finden. Ein  Unwetter geht nieder, wie man es schon lange nicht mehr gesehen hat. Ich beschliesse, in der Kirche zu warten, bis es vorüber ist. Während draussen der Sturm tobt, herrscht im Inneren gespenstische Stille. Der Raum ist sehr karg eingerichtet, kahle Wände, die Fenster weit oben, ein kleines Altarbild, die Kirchenbänke blitzblank lackiert und sehr sauber. Fünf Personen knien je in einer Bankreihe: Eine ältere Frau in der vordersten Reihe, fast zu hinterst auf der Seite eine jüngere Frau, in der Mitte drei Priester in schwarzer Soutane mit weissen Stehkragen, mit beiden Händen ein Gebetsbuch haltend. Zwei der Prieser stehen schon bald auf, machen eine tiefe Kniebeuge, bekreuzigen sich und verlassen sehr rasch den Andachtsraum. Der zurückbleibende junge Priester, etwa im gleichen Alter der jungen Frau, scheint sich geradezu zu zwingen  n i c h t  zu ihr hinüber zu blicken. Vor mir auf der Bank liegt ein Gebetsbuch, in grossen goldenen Lettern steht drauf: SURSUM CORDA  (übersetzt: Empor die Herzen). Im Vorwort lese ich, dass es sich dabei um das Kirchengesangbuch der Piusbruderschaft handelt. Als sich das Unwetter gelegt hat, verlasse ich die Kirche rasch.

Seit Disentis fallen mir vielen die mittelalterlichen Burgen und Wachtürme auf, die sich an markanten Stellen an den Seiten des Rheintales befinden. Von vielen sind nur noch Ruinen sichtbar, andere, wie etwa das Schloss Sargans, blieben erhalten.



Es scheint, als hätten alle diese Befestigungen eine Verbindung miteinander, steht die eine doch immer in Sichtweite zum nächsten. Wie ein Netz der Überwachung, welches dem Volk, das im Tal unten lebt, zeigen soll, wer seine Herren und Meister sind. Heute sind die meisten Türme wie gesagt zerfallen, und wer heute die Macht über das Volk besitzt, ist nicht mehr so offensichtlich. Aber vielleicht unterwerfen wir uns heute ohne es richtig wahrhaben zu wollen genauso wie zu früheren Zeiten.










Einfach gehen

Freitag, 24. August: Oberriet - St. Margrethen
Von Oberriet aus gehts fast fünfzehn Kilometer schnurgerade dem Rheintaler Binnenkanal entlang. Menschen begegne ich fast keinen (manchmal frage ich mich schon, wo sie alle sind), obschon ich auch an landwirtschaftlichen Betrieben und Siedlungen vorbei komme.



Während alle an der Arbeit sind, ist meine Tätigkeit das Gehen, einfach gehen.
Das Sein im Gehen.
Ich bewege mich ständig vorwärts, und doch bleibe ich immer derselbe. Derselbe Kopf, derselbe Rucksack, die selben Blasen an den Füssen.
Die Landschaft verändert sich mit jedem Schritt, aber ich bleibe immer ich selbst.
Und während ich von Ort zu Ort gehe, zählt nicht, was ich war, woher man kommt, was man geleistet hat; niemand ist da, der für dich zeugt, du kannst dich auf niemanden berufen. Du definierst dich nur aus dem Moment, nicht mehr über deine gesellschaftliche Funktion.
Nur die Füsse, die Beine, der Bauch, die Arme, der Kopf, das Herz.
Es gibt nur das Hier und Jetzt: Was du siehst, was du riechst, was du hörst, was du empfindest, was du denkst.
Und plötzlich breitet sich beim Gehen dein ganzes Leben vor dir aus wie eine riesige Fläche und du kannst sie anschauen wie einen Film. Du bist völlig frei irgend einen Teil davon heranzuholen und genau anzuschauen: Wie war das damals, als wir von Ems nach Luzern zogen? Und du siehst alles glasklar vor dir. Wie du dachtest, dass das nur Ferien seien und dass ihr nach einer Weile wieder zurück gehen würdet. Wie du nicht wusstest, welche der beiden Welten die richtige war, die des Rheins oder die der Reuss - dabei gab es doch nur eine.
Jemand sagte letzthin in einem Gespräch mit ironischem Unterton: Du gehst davon. Er meinte es im Sinne von fliehen, weglaufen.
Ja, in diesem Sinne schon: Ich will mich von den Strukturen lösen, in denen ich nun mehr als dreissig Jahre drin war; ich will mich aus dem Korsett, in welchem man zwar oft ächzte, welches einem aber auch Halt und Sicherheit gab, herausschälen; nicht mehr einem vorgegebenen Plan folgen, sondern meinen eigenen Rhythmus finden. Schritt um Schritt. Nicht mehr dem System gehorchen, sondern seinen eigenen Gesetzmässigkeiten. Keine Unterscheidung mehr in ein Leben A und ein Leben B.
Gehen. Sein im Gehen.
Wie das (leider weggeräumte) Räuberrad vor der Berliner Volksbühne.



Und jetzt seis auch gesagt, warum zu Fuss und nicht mit dem Velo: Ich will mich nicht sitzend fortbewegen, sondern aufrecht; ich bin genug (herum-) gesessen in Studierzimmern, Sitzungsräumen, Wartsälen und Wohnzimmern. Und ich will die Hände nicht um ein Lenkrad klammern müssen, ich will sie frei haben um damit herumzufuchteln, um Brombeeren von den Sträuchern zu pflücken und um sie ins Wasser zu tauchen. Und ich will mit den Füssen am Boden stehen.

Nachtrag zu Ems: Mitti schreibt mir, gestern habe der kleine Matti Fadri das Licht der Welt erblickt.


Samstag, 25. August: St. Margrethen - Reineck - Altenrhein - Rorschach
Manchmal erschreckt es mich, wie heruntergekommen viele Schweizer Städtchen sind. Leerstehende Gasthäuser und Geschäfte mit eingeschlagenen Scheiben, Hotels gibt es nur mehr wenige, viele geben schon gar keine Sterne mehr an. Auch im Ochsen in St. Margrethen bin ich der einzige Gast.

Dafür hat mir die freundliche Dame im Touristenbüro in Rorschach eine märchenhafte Unterkunft vermittelt im Schloss Wartegg, dem Bio-Hotel am Bodensee.



Mittwoch, 22. August 2018

Bun viadi!

Dienstag, 21. August: Domat/Ems - Chur - Bad Ragaz
Nach einem letzten Blick auf den Somantieri mache ich mich um 9 Uhr auf den Weg.

Es gäbe noch die Geschichte zu erzählen, wie ich am Vorabend von meinem Besuch bei Mitti zurück ins Hotelzimmer gelangte. Als ich um etwa halb elf ankam, war beim Hotel alles dunkel und geschlossen, obwohl dieses bis 23 Uhr offen sein sollte. Den Schlüssel hatte ich an der Rezeption aufgehängt. Licht brannte lediglich hinter den geschlossenen Fensterläden im Nachbarhaus. Ich muss dazu sagen, dass es sich dabei um das ehemalige Haus meiner Grosseltern handelte, wo sich unsere Familie in den Ferien immer aufhielt und das später an den Sternen verkauft worden war. Ich kannte also jedes einzelne Zimmer. Was tun? Ich klopfte an einen der Läden und von innen kam ein Gemurmel in gebrochenem Englisch. Kurze Zeit später trat ein junger Inder aus dem Haus und telefonierte herum, bis im Hotel drüben Licht anging und eine junge indische Frau erschien, die von innen den Eingang öffnete, sich entschuldigte und mich einliess.

Bei Felsberg überquere ich den Rhein und verlasse somit das romanischsprachige Gebiet. Zu den bereits genannten Dingen, die sich auf meinem Weg wie Motive in wechselndem Rhythmus wiederholen, kommen drei weitere hinzu: der Lärm der Autobahn A13, gegen den das Rauschen des Rheins nicht mehr anzukommen vermag, dann die Radfahrer, die bei meinem Anblick ratlos zur Seite schauen, und schliesslich die vielen Hunde mit ihren Herrchen und Frauchen. Während zwei Hausfrauen über ihre kaputten Kühlschränke schwatzen und ihre Hunde sich gegenseitig ihr Geschlecht beschnuppern, schwingt ein Mann gedankenverloren den gefüllten roten Robidog-Beutel hin und her.




In Bad Ragaz finde ich ein preiswertes Zimmer im Hotel Quelle.
Abends beim Essen höre ich, wie sich am Nebentisch ein Ehepaar leise in einer ortsfremden Sprache unterhält. Es klingt irgendwie slawisch, bis sich beim genaueren Hinhören herausstellt, dass es romanisch ist. Als ich - zugegeben - etwas langsamer als üblich aufstehe, bemerkt die Frau meine Packung Compeed-Pflaster, die ich vorher in der Apotheke gekauft habe. Ich sei zu Fuss unterwegs seit dem Oberalppass, sage ich, worauf der Mann fragt: "Und Sie wollen nicht etwa bis nach Rotterdam?!" Wie er darauf komme? frage ich zurück. Er habe in der Zeitung gelesen oder am Radio gehört, dass einer zu Fuss nach Rotterdam wolle. Wir setzen die Konversation selbstverständlich auf Romanisch fort und das Gespräch endet mit einem herzlichen "Bun viadi!"

Mittwoch, 22. August: Bad Ragaz - Vaduz
Bad Ragaz lebt vor allem von den beiden fünf-Stern-Hotels, der Dorfkern ist ziemlich heruntergekommen und unbelebt. Einheimische sieht man wenig, gut situierte Rentner bestimmen das Bild. So bin ich nicht unglücklich, das Dorf am Morgen verlassen zu können. Dem Flüsschen "Tamina" entlang gehe ich hinunter zum Rhein, den vorgeschlagenen "Pensionisten Parcours" lasse ich aus.
Ein letztes Mal blicke ich zurück ins Tal und die Berge, woher ich gekommen bin.



Dann geht es schnurgerade dem begradigten Alpenrhein entlang, stundenlang. Ein paar mal gehe ich unter Brücken durch, an denen witzige Graffitis aufgesprayt sind.




Vorbei an Sargans, Balzers, Triesen, Sevelen gelange ich über die alte Rheinbrücke ins Fürstentum Liechtenstein hinein nach Vaduz.





Montag, 20. August 2018

Geografie der Kindheit

Bei meinem Spaziergang durch Ems besuche ich als erstes den Somantieri, den Grabhügel, mit der steilen Kopfsteinpflasterstrasse, die hinaufführt zur Kirche St. Gion.



Hier kenne ich viel mehr Leute als Lebende im Dorf unten. Jedenfalls lagen sie alle mal da, ihre Gräber sind teilweise bereits wieder ausgehoben. Damals kannte man all diese seltsamen Namen, Übernamen oder Spitznamen.
Und sie kommen jetzt alle zurück:
Peterle Pegg und Stoffale Pott mit dem Stumpen im Gesicht und dem kräftigsten Stier im Dorf, Peterle Metzger und Tune da Guttas, Marte Sing mit dem schlohweissen Bart, der immer aus dem gleichen Fenster schaut, Marte Fetz und Marte Zapple, Martecarle, der nichts hört, Bese Babele und Bese Bettale, Bese Philomena, die so schnell spricht, und Vetter Titti mit dem Jeep, Casperle, der Bahnwärter und Coiffeur mit dem schmutzigen Handtuch, Marcella von der "Heimat" und Stinale die Serviertochter vom "Central" und Mimi aus Genf und Zahnarzt Zeschcle und l'Atombomba, seine Frau mit dem VW, auch sie Zahnärztin, und Bese Tunale und Bese Lena, die beiden alten Kindergärtnerinnen, Bese Loni, die junge schöne Kindergärtnerin, und Lehrer Schetsch und Lehrer Bletsch und Lehrer Keck und Pfarrer Brenn mit dem Bürstenschnitt, Tumaschle der Zuckerbäcker, immer voller Mehl an Schürze und Händen, und Christian und Schorschle ("fai läger! ") vom Bürgerheim, die abends auf dem Heimweg mitten auf der Dorfstrasse für uns tanzten...
Und allen voran lagen da natürlich Tat und Tata (meine Grosseltern) und Tata Basata (die Urgrossmutter), deren Särge jeweils auf dem schwarzen Totenwagen von zwei Pferden die steile Kopfsteinpflasterstrasse hinaufgezogen wurden, wobei es bei jedem Hufschlag bedrohlich funkte.



Am Abend dann bin ich eingeladen bei meiner Cousine Mitti und ihrem Mann Elmar zu einem köstlichen Abendessen, wo wir über frühere Zeiten und die Entwicklung im Dorf plaudern. Jeden Moment erwarten sie einen Anruf ihrer Tochter, die in diesen Tagen ihren Geburtstermin hat.





Das Rauschen des Rheins

Montag, 20. August: Domat/Ems
Ich sitze im Garten des Hotels Sternen. Gestern Mittag bin ich hier angekommen. Hinter mir plätschert das Wasser des Teichs, die Goldfische schweben träge unter den Seerosen. Aus der Ferne dröhnt der Motorenlärm der A13. Die ehemals renommierteste Adresse des Dorfes ist etwas heruntergekommen, einige seiner Sterne sind erloschen. Entsprechend sind die Zimmer leer - ich bin der einzige Gast.



In Luzern geht heute die Schule los und ich denke an meine Kolleginnen und Kollegen, die jetzt wieder vor den vielleicht zwar ferienmüden, aber gewiss erwartungsvollen Jugendlichen stehen. Der Stundenplan diktiert jetzt wieder ihren Takt.
Hier in Ems, wo ich meine ersten Lebensjahre verbracht habe, gönne ich mir meinen ersten freien Tag. Immerhin habe ich schon mehr als hundert Kilometer in den Beinen. Meinen Takt bestimmt der Rhein.

Freitag, 17. August: Disentis - Trun - Tavanasa
Nach dem Besuch der Vesper in der Marienkirche des Klosters Disentis, gesungen von den zwölf Benediktinermönchen, mache ich noch einen Spaziergang durchs Dorf und gehe früh schlafen.



Am andern Morgen führt mich der Weg vom Dorf hinunter zurück an den Rhein. Sein Rauschen ist mächtiger geworden und es übertönt (oder verschluckt?) alle andern Geräusche. Erst jetzt wird mir bewusst, dass mich dieses Rauschen seit dem Lai da Tuma begleitet und dass es sich von Ort zu Ort, von Stunde zu Stunde stetig verändert. Mir fällt auch auf, dass es eigentlich immer die gleichen Dinge sind, die ich wahrnehme und denen ich begegne und die so etwas wie einen Rhythmus ergeben: der Rhein, der Weg, der Wald, die Wiese, die Brücke, die Schwalben, die Hochspannungsleitungen, das Kirchengeläut, die Dörfer an den Hängen, die Passstrasse, die Unterkunft.

In Trun besichtige ich die begehbare Skulpur "ogna" des von hier stammenden Künstlers Matias Spescha.





In Tavanasa ist es die Ustria Crusch Alva, wo ich absteige (wobei absteigen den Vorgang nicht trifft, denn ich habe kein Pferd dabei).
Am Abend bin ich zu Gast bei David und Annadora, die Capuns gekocht hat, die besten seit jenen meiner Grossmutter. Zusammen mit ihrem Töchterchen Valentina wohnen sie in einem Haus am Dorfrand von Danis an einem märchenhaften Eichenwald. David erzählt vom Dorf, seinen Bewohnern, seiner Geschichte und seinen Geschichten, vom Kampf der Bevölkerung um ihre Brücke ("Nossa Punt"), die abgerissen werden sollte und die jetzt ein Kulturdenkmal ist, und davon, wie dieses Dorf sein Lebenszentrum sei. Ich glaube es ihm.

Samstag, 18.. August: Tavanasa - Ilanz - Ruinaulta - Versam
Früh ziehe ich los von Tavanasa auf dem Polenweg Richtug Ilanz. Und irgendwie kommt mir der Rhein schon wie ein treuer Begleiter vor. Na, begleitet er nun mich oder begleite ich ihn? Ui, was für ein romantisierender Kitsch! Der Rhein fliesst neben mir und ich gehe neben dem Rhein, das ist alles.
Und plötzlich geht mir das Wortspiel durch den Kopf: Ich will die Dinge nicht erfahren, ich will sie er-gehen. Ich ergehe mich quasi in den Dingen.
Und noch etwas erlebe ich: Mit jedem Schritt wechselt der Standpunkt, die Perspektive, die Sichtweise auf die Dinge, der Blickwinkel auf die Landschaft - wörtlich und übertragen.



In Ilanz treffe ich Uolf, den Präsidenten der GiuRu, der Organisation der romanischen Jugendlichen. Er begleitet mich ein Stück des Weges und erzählt viel Interessantes über sein Dorf Sagogn, die Ruinaulta, die Ruina da Corvs, die vielen Islas und die Gesteinsformationen in der Schlucht, über die ursprünglich rätischen Ausdrücke (z.B. "pala"), über seine Pläne als Präsident und über seine Lebenspläne. Der Aufstieg am Schluss unserer gemeinsamen Wanderung hinauf nach Versam ist anstrengend, ich spüre die 31 Kilometer der heutigen Etappe in allen Knochen. Wir trinken noch ein Bier zusammen, bevor wir uns verabschieden und Uolf das Postauto besteigt zurück in sein Dorf Sagogn.





Sonntag, 19. August: Versam - Trin (Station) - Domat/Ems
Gut ausgeschlafen starte ich meine fünfte Etappe entlang der Versamerstrasse, die hoch über dem Rhein in den Fels gehauen ist und von der aus man eine atemberaubende Aussicht auf die Rheinschlucht hat.



Bei der Station Trin gelange ich wieder zu meinem Fluss hinunter.
Als Kind in Domat/Ems war für mich "Rhein" gleichbedeutend mit dem Wort Fluss. Ich wollte später in Luzern nicht verstehen, warum der Fluss dort Reuss, und nicht Rhein hiess. Der wahre Fluss heisst Rhein. Und die Orientierung geriet nochmals durcheinander, als man mir bei einem Besuch in Basel sagte, dieser Fluss sei der Rhein. Dabei war der dort doch noch viel weiter weg von Graubünden.
Nach dem Mittag treffe ich in Ems ein.