Montag, 20. August 2018

Geografie der Kindheit

Bei meinem Spaziergang durch Ems besuche ich als erstes den Somantieri, den Grabhügel, mit der steilen Kopfsteinpflasterstrasse, die hinaufführt zur Kirche St. Gion.



Hier kenne ich viel mehr Leute als Lebende im Dorf unten. Jedenfalls lagen sie alle mal da, ihre Gräber sind teilweise bereits wieder ausgehoben. Damals kannte man all diese seltsamen Namen, Übernamen oder Spitznamen.
Und sie kommen jetzt alle zurück:
Peterle Pegg und Stoffale Pott mit dem Stumpen im Gesicht und dem kräftigsten Stier im Dorf, Peterle Metzger und Tune da Guttas, Marte Sing mit dem schlohweissen Bart, der immer aus dem gleichen Fenster schaut, Marte Fetz und Marte Zapple, Martecarle, der nichts hört, Bese Babele und Bese Bettale, Bese Philomena, die so schnell spricht, und Vetter Titti mit dem Jeep, Casperle, der Bahnwärter und Coiffeur mit dem schmutzigen Handtuch, Marcella von der "Heimat" und Stinale die Serviertochter vom "Central" und Mimi aus Genf und Zahnarzt Zeschcle und l'Atombomba, seine Frau mit dem VW, auch sie Zahnärztin, und Bese Tunale und Bese Lena, die beiden alten Kindergärtnerinnen, Bese Loni, die junge schöne Kindergärtnerin, und Lehrer Schetsch und Lehrer Bletsch und Lehrer Keck und Pfarrer Brenn mit dem Bürstenschnitt, Tumaschle der Zuckerbäcker, immer voller Mehl an Schürze und Händen, und Christian und Schorschle ("fai läger! ") vom Bürgerheim, die abends auf dem Heimweg mitten auf der Dorfstrasse für uns tanzten...
Und allen voran lagen da natürlich Tat und Tata (meine Grosseltern) und Tata Basata (die Urgrossmutter), deren Särge jeweils auf dem schwarzen Totenwagen von zwei Pferden die steile Kopfsteinpflasterstrasse hinaufgezogen wurden, wobei es bei jedem Hufschlag bedrohlich funkte.



Am Abend dann bin ich eingeladen bei meiner Cousine Mitti und ihrem Mann Elmar zu einem köstlichen Abendessen, wo wir über frühere Zeiten und die Entwicklung im Dorf plaudern. Jeden Moment erwarten sie einen Anruf ihrer Tochter, die in diesen Tagen ihren Geburtstermin hat.





1 Kommentar:

  1. Lieber Georges

    So wertvoll, wie du Schritt für Schritt durchs Leben gehst!
    Er-gehe den weiteren Weg bis Rotterdam gemächlich und gut!
    Danke für deine Gedanken, die du mit uns teilst.
    Auf Wieder-gehen!
    Pascal

    AntwortenLöschen