Mittwoch, 10. Oktober 2018

Nothing to say

Mittwoch, 10. Oktober: Köln - Rheindorf

Jemand fragte neulich, ob ich denn nie Musik höre unterwegs oder am Abend. Musik? - ich wüsste nicht was. Und zudem höre ich die ganze Zeit Geräusche, Gemurmel, Töne und Musik. Ich höre die Vögel zwitschern und schnattern und krächzen, ich höre das Rauschen der Bäume, ich schnappe Satzfetzen von Gesprächen auf, "we need to develop" hörte ich heute einen Mann in weissem Hemd zu einer Frau im Businesskleid sagen, ich höre das Dahingleiten des Rheins, das Brummen der Schiffe. Heute fuhr ein Lastkahn an mir vorbei, auf dem ein Bordmechaniker selbstvergessen eine wunderschöne Melodie pfiff, das Schiff hiess Componist. Aus einer Seitengasse in Köln höre ich ein Saxophon jaulen "I did it my way" und unter einem Torbogen singt ein Strassensänger den BAB-Song "Verdammt lang her". Was soll ich Musik hören; es ist genug Musik in der Luft und in meinem Kopf sowieso. Vor dem Bayer-Areal in Leverkusen höre ich ein Huhn gackern, was mich an einen Song von John Lennon erinnert mit dem Refrain "I've got nothing to say but it's okay".
"Sie sind Schweizer und sind zu Fuss hierhergekommen, stimmts?" sagt ein jüngerer, sehr kommunikativer Mann, als ich ihn und seinen Kumpan vor dem Gitter des Industrieareals nach dem weiteren Weg frage. Wie er darauf komme, frage ich. Na, der Akzent, die Trekkingschuhe, der Rucksack und die Gangart, lacht er. Ich komme sofort ins Gespräch mit den beiden und wir gehen ein Stück zusammen, bis sie sicher sind, dass ich den weiteren Weg auch ohne sie finden werde. Danke für eure kurze, aber sehr angenehme Gesellschaft, Sime und Tom!



Das Areal von Bayer ist riesig und ich muss aussen herum gehen, der Rheinuferweg ist gesperrt. Als ich die Orientierung wieder verliere, frage ich einen Mann, der aus dem Areal tritt, nach dem Weg. Ich zeigs Ihnen, ich muss auch in diese Richtung. Es ist Mittagspause und der Mann will noch etwas die Beine vertreten, bevor er zurück in sein Büro muss. Wir sind uns bald einig: Diskussionen führen und Entscheidungen treffen sollte man im Gehen statt im Sitzen, in der Politik und in der Wirtschaft wie auch im privaten Leben. Am Schluss unseres Gesprächs gibt er mir die Hand und sagt: "Das war jetzt für mich eine sehr erfreuliche Mittagspause, Ihnen weiterhin viel Glück!"



Dienstag, 9. Oktober: Köln

"10.30 habe ich noch einen Termin frei", sagt Bruno, der Friseur, am Telefon. Sein schlichtes, aber sehr erlesen eingerichtetes Geschäft neben dem Waschsalon ist mir schon am Montag aufgefallen. Bruno ist ein älterer Herr aus Italien, der sein Handwerk mit grosser Fertigkeit und Eleganz ausübt. "Ich mache alles mit der Schere, ich brauche keine Maschine," sagt er. Und dann: "Also, ich beginne bei den Augenbrauen."
Im Hintergrund läuft Paolo Conte.


Am Mittag hole ich Barbara vom Bahnhof ab und wir besuchen zusammen die Ausstellung der Bilder von Raphael Egil in der Galerie Michael Werner.
Wir verweilen lange.


Montag, 8. Oktober: Köln

Die Dame im Waschsalon kümmert sich rührend um mich, als sie hört, warum es nur die paar Sachen sind, die es zu waschen gibt.
Nachher gönne ich mir eine traditionelle Thailändische Massage. Ich liege auf dem Bauch, das Gesicht auf zwei zusammengerollten Tüchern aufgestützt. So ahne ich nur, beziehungsweise spüre, wie die Dame mich traktiert. Ich bin sicher, sie kniet auf meinem Rücken und drückt ihre Ellenbogen in meine verspannten Schultermuskeln. Dann kneift sie mit Daumen und Zeigfinger meine Nackenmuskeln, dass ich laut aufheule. Mit den Waden geschieht ähnliches und die Beine werden geknickt und einwärts und nach aussen gebogen. "Das ist Yoga und Thai-Massage zusammen", sagt die Masseuse. Als ich nach einer Stunde aufstehe, ist mir, als würde ich jeden Muskel an meinem Körper einzeln spüren. Wieder auf der Strasse glaube ich aus einer andern Welt zu kommen.


Dann treffe ich bei der Rheinterrasse Bernd, den nach Luzern ausgewanderten Vorstadtkölner, der zwischen zwei Babysitter-Terminen bei seiner Enkelin in Zürich für ein paar Tage in Köln weilt. Unser Programm: Zuerst einige Kölsch und einen "halve hahn" in der Traditionskneipe Lammersdorf, wo sich die Fans des 1. FCK für das bevorstehende Fussballspiel warmtrinken, dann Sonnenuntergang auf dem Hochhaus Kölntriangle in Deutz, dann Abendessen beim exzellenten Italiener und zum Abschluss den Film "Dogman" am Filmfestival Cologne. Einmal mehr bekomme ich es mit Hunden zu tun...



Sonntag, 7. Oktober: Bonn - Köln

Ein nebliger Sonntagvormittag. Nach ein paar Kilometern kommt mir ein Paar mittleren Alters entgegen und der Mann fragt mich spontan, was ich denn vorhabe. Ich erkläre einmal mehr und frage dann zurück: Und was machen Sie an diesem trüben Morgen hier draussen? - Wir sind beide im Therapiebereich tätig. Ich bin vor kurzem aus meiner Ehe ausgestiegen wegen ihr und wohne jetzt in ihrem Wohnmobil. Er blickt zur Frau an seiner Seite und sie nickt lächelnd.



Samstag, 6. Oktober: Remagen - Bonn

Sieben Kilometer nach Remagen erreiche ich den Bahnhof Rolandseck, wo sich auch ein Museum des Künstlers Hans Arp befindet. Die Mischung aus Eisenbahnzügen und Kunst ergibt eine ganz eigenartige Atmosphäre: Kunst erfordert das Innehalten, Verweilen und geistige Schweifen, die Züge bewegen sich in festen Bahnen und drängen so schnell wie möglich weiter.















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