Mittwoch, 12. September 2018

Strasbourg!

Dienstag, 11. September: Ichenheim - Kehl

"Wohin des Wegs?" höre ich plötzlich jemand fragen, der sich im Schatten eines Baumes zum Mittagessen niedergelassen hat. Ich hatte zuvor als Mahlzeit bei einem Baumgarten drei Äpfel vom Boden aufgelesen und gegessen.
Matthias ist seit morgens um sechs Uhr unterwegs nach Strasbourg und kehrt abends mit dem Zug wieder zurück nach Offenburg, woher er gekommen ist. Er ist ein junger gelernter Schreiner, obschon seine Hände eher aussehen wie die eines Physiotherapeuten. Das würde ihm eigentlich mehr entsprechen, sagt er, und er ist auch daran, sich auf diesem Gebiet weiterzubilden. Vorerst ist er krank geschrieben wegen eines komplzierten Sehnenrisses im Handgelenk und deshalb oft zu Fuss unterwegs.
Endlich sind wir  z w e i  Wanderer auf dem Dammweg, sodass die Radfahrer klingeln müssen, wenn sie an uns vorbei wollen.
In Kehl trinken wir noch ein Bier zusammen, bevor sich unsere Wege wieder trennen.
Ein Hotelzimmer zu finden ist auch heute nicht so leicht, in Strasbourg ist Parlamentswoche.






Mittwoch, 12. September: Kehl - Strasbourg - Kehl
Strasbourg! - Was für eine Fülle an Menschen, in der Strassenbahn, in den Gassen, vor dem Münster; was für ein Überfluss an Aufschriften, Zeichen, Schaufenstern, die danach schreien, wahrgenommen zu werden. Das Wasser, die Schwäne, Kormorane, Fischreiher, Frösche, Buchen und Eichen in den Rheinauen waren einfach da, ohne Absicht, für niemanden. In der Stadt ist alles laut, schrill, hektisch, zielgerichtet. Selbst die Guides ermahnen ihre Touristen, ihnen rasch zu folgen und sie nicht aus den Augen zu verlieren.
Im Münster ist es ruhiger, aber auch hier Gehüstel, Getuschel, Getrampel.
Die Sonne soll heute durch ein bestimmtes Kirchenfenster genau auf Christus am Kreuz scheinen, sodass dieser grün leuchtet, hat mit Matthias gesagt. Auch erzählte er mir, warum der zweite Turm des Münsters niemals fertig gebaut wurde.
Der Touristenstrom fliesst wie eine Ameisenstrasse an den Sehenswürdigkeiten in der Kirche vorbei und dann wieder hinaus. Bei der Astronomischen Uhr bleiben nur wenige stehen, obschon sich bei diesem Meisterwerk aus der Renaissance Astronomie, Physik, Philosophie und höchste Handwerkskunst vereinigen. Über das Menschenbild, das hier zum Ausdruck kommt, kann man auch heute noch (oder gerade heute!) nur ehrfürchtig staunen.





Nicht nur hier in Strasbourg ist Kultur längst zum Köder für Kommerz und Konsum verkommen, geht es mir durch den Kopf. Nicht das Geistig-Sinnliche interessiert in erster Linie, sondern die Shoppingtour und der Burgerking. Nein, das ist zu allgemein! Strasbourg hat wirklich wunderschöne Gässchen und Winkel mit originellen Läden, Märkten und Restaurants. Vielleicht liegt das Problem bei mir: All die einladenden Auslagen in den Schaufenstern, all die Aufforderungen zum Kauf gehen mich nichts an, mein Rucksack ist voll, ich benötige nichts.


Doch, bei den Gauloise-rauchenden Bouquinistes mit ihren verblühenden Coquetten bleibe ich trotzdem stehen und blättere in den Kisten die Schallplatten durch. Bei vielen Plattencovern steigt irgend eine Erinnerung hoch, während aus dem scheppernden Lautsprecher die Stimme von Véronique Sanson ertönt : "Doux dehors, fou dedans."
Ja, und dann suche ich auch noch einen Coiffeur, der mir die etwas aus der Form geratene Frisur wieder zurechtschneiden soll. Beim Salon "VUE SUR L'ILL" finde ich einen, der sein Métier mit unglaublich flinken Händen beherrscht.




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