Donnerstag, 6. September 2018

Blinde Signale

Donnerstag, 6. September: Weil am Rhein - Neuenburg (am Rhein)

Am Morgen gehe ich früh los, 38 Kilometer stehen an.
Meine Rheinspur habe ich glücklicherweise schnell wieder gefunden und sofort steigt auch meine Stimmung. Nachdem es in Weil am Rhein nach Frittenöl, Autoabgasen und schlecht gelüfteten Supermärkten roch, bin ich froh, am Rhein unten endlich wieder den zarten Fischgeruch wahrzunehmen. Das hat für mich etwas Vertrautes, es erinnert mich an den Vierwaldstättersee, genauer, an das erste Mal, als mir dieser Fischgeruch auffiel. Nein, es ist nicht wie bei Jean Baptiste Grenouille. Es war damals, als unsere Familie aus dem Bündnerland anreiste und in Luzern aus dem Bahnhof trat. Zunächst mochte ich den Geruch gar nicht, er war für mich als Fünfjährigen eher ekelerregend. Später gehörte er einfach zu Luzern und dem See und bedeutete eine gewisse Geborgenheit. Der riesige See hingegen faszinierte mich vom ersten Moment weg.


Der Weg führt jetzt wieder stundenlang dem alten Rhein entlang. Viel Zeit also, um abzutauchen in die eigenen Gedanken und Bilder. Es ist schnell daher gesagt, "zu sich selbst kommen" oder "bei sich selbst sein". Ist man das denn nicht immer, wenn man einigermassen bei Verstand ist? Vielleicht nur soviel als Erklärungsversuch: Es geht weniger um rationale Entscheidungen oder momentane Wünsche, sondern um umfassendere Vorstellungen, wie ich mich selbst sehe, wie ich mich selbst in Relation zu meiner Umgebung sehe - zu den Menschen, mit denen man in Verbindung steht, zur Institution, in der man drin ist oder war, ja, zum ganzen Lebensumfeld.
Und man fragt sich auch, wohin man eigentlich unterwegs ist.



Und plötzlich sehe ich die Tafel auf der nahen Autobahn und mir fällt fast im gleichen Moment die Zeile aus dem Song der Talking Heads ein: "We're on the road to nowhere, come on inside..."



Am Wegrand sehe ich später dieses seltsame Objekt, von dem ich bis jetzt keine Ahnung habe, was es bedeutet oder welche Funktion es erfüllt. Da es so rätselhaft ist, betrachte ich es länger: Es ist aus Metall, scheint ziemlich alt zu sein, aber offenbar, dem neuen Farbanstrich nach zu schliessen, erhaltenswert. Die Farben schwarz und gelb sind eigenartig. Ist es ein Zeichen, eine Wegmarke, ein Schiffspoller? Aber für wen? Das Rheinbett ist ziemlich weit entfernt und liegt viel tiefer. Zudem ist weit und breit nichts Ähnliches zu sehen. Erst nach ein paar Kilometern gibt es weitere solcher Poller. War der Rheinpegel früher mal höher, gab es hier mal einen regen Schiffsverkehr? Von all dem ist heute jedenfalls nichts mehr zu sehen, das Rheinufer ist zugewachsen, kein Mensch und kein Schiff ist zu sehen, es gibt keine menschliche Behausung hier am Rhein.





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