Montag, 29. Oktober 2018

Schritte im Sand

Montag, 29. Oktober: Hoek van Holland - Rotterdam
Sonntag, 28. Oktober: Vlaardingen - Hoek van Holland

Heute Morgen, als der Bus losfährt in Hoek, wird mir nach einigen hundert Metern übel. Die Kurven, die schlechten Gerüche, die vorbeirasende Landschaft... ich bin es nicht mehr gewohnt. Im Bus sind etwa fünfzehn Jugendliche, fast alle haben Stöpsel in den Ohren, ihr Smartphone in der Hand, einige haben die Augen geschlossen, andere schauen ins Leere. Montagmorgen. Ein paar tippen auf dem Screen herum, nur zwei Mädchen schwatzen miteinander. Aus dem Fenster guckt niemand, wozu auch. Die Landschaft mit den Deichen, Kanälen, Bäumen, den Kühen, Schafen, Enten und Möwen fliegt vorbei, sie ist hier drin nicht wichtig, es geht nur darum, die Distanz möglichst schnell hinter sich zu bringen. In Schiedam steigen alle um auf die Metro nach Rotterdam. Jetzt fährt man unter dem Boden, es rumpelt, Lichter flackern an den Tunnelwänden. Unterwelt.
Dann gehe ich die Treppe hoch ans Tageslicht. Man sieht sie von weitem, die Erasmusbrücke.


Der Himmel ist strahlend blau, der halbe Mond hängt noch am Himmel und es ist frisch, als ich gestern Sonntagmorgen in Vaardingen aus dem Hotel trete. Vorfreude und Erwartung sind gross, aber das macht den verbleibenden Weg nicht kürzer. Viele Spaziergänger und Radfahrer sind unterwegs. Die Frachtschiffe gleiten lautlos dahin und die Bäume rauschen im Wind. Nach Maassluis kommt mir ein Mann mit Rucksack entgegen. Er spricht mich auf holländisch an. Ich zucke die Schultern. "I'm on the way to the Hoek, this is the end of my trip." René wohnt einige Kilometer von hier und trainiert für den Jakobsweg. "Enjoy your day", sagt er am Schluss. "Thank you, enjoy your life." Lachend geben wir uns die Hand.



Den Leuchtturm am Hoek van Holland sieht man von weitem. Er steht ein paar Kilometer vom Meer entfernt umgeben von Wohnhäusern.



Der Uferweg führt weiter, vorbei am Denkmal für die im Jahr 1938 geretteten jüdischen Kinder aus allen Teilen Europas, die hier von den Holländern auf Schiffe nach England in Sicherheit gebracht wurden. Mehr als 10'000 waren es. Dann gehts hinaus über die Dünen zum breiten Strand, wo sich die vielen Sonntagsausflügler in der Sonne tummeln. Der Wind bläst eisig, das aufgewühlte Meer schlägt hohe Wellen. Ich gehe einige Zeit am Strand entlang, bis ich schliesslich ganz zum Wasser hin trete. Das wars nun also; das ist das Ende dieser Geschichte, denke ich und spüre - nichts Besonderes. Keinen Triumph, keine Euphorie, keine spezielle Befriedigung. Es ist einfach, was es ist: Wasser, Sand, Muscheln, salziger Meeresgeruch, den ich mag, Möwen, spazierende Menschen, alles sehr schön, aber sonst? Ich muss es mir immer wieder sagen. Hey, that's it! Das ist der lang imaginierte Moment! Ich weiss nicht, was tun. Schliesslich frage ich ein flanierendes Paar, ob sie vielleicht ein Foto von mir machen könnten. Aber klar doch. Sie fragen nicht warum. Nachher hole ich ein kleines, leeres Fläschchen aus dem Rucksack, das ich extra dafür mitgebracht habe, und fülle es mit Sand und Meerwasser. Dann gehe ich zu einer Strandbar und trinke ein Bier. Rund herum ist alles so gewöhnlich, die Leute geniessen die Sonnenstrahlen, rauchen und plaudern und aus den Lautsprecherboxen tönt "The Sounds of Silence". Alles wie sonst. Als die Sonne sich senkt und es noch kühler wird, gehe ich die zwei Kilometer zurück nach Hoek zu meiner gebuchten Unterkunft.







Das wars. - Wars das nun? Man sieht nichts, hört nichts mehr, spürt nichts. Das Vergangene ist wie weggeblasen. Ein Wimpernschlag.
War da was?
Vielleicht ein Lied, das schläft.

Rhein-Gang

Rhein-Gang
Rhein-Gong
Rhein-Gung
Reinigung
Rhein jung
Rhein alt

Rhein-Gang
Rhein-ging
Rhein-gang
ying
und
yang
sing
und
sang
Rhein-Song

Rhein-Gang

Rhein-Gang
Lehrgang
Übergang

Rhein-Gang

Rhein-Weg
Rhein weg
alles weg
alles Weg





3 Kommentare:

  1. Lieber Georges
    Ganz herzliche Gratulation zum Gelingen deines Vorhabens!
    Am Ende deines Weges sagst du „Nichts Besonderes“, „Keinen Triumph“? Vielleicht ist am Sprichwort „Der Weg ist das Ziel“ ja doch etwas dran...
    Du kannst auf jeden Fall stolz sein auf deine Leistung.
    Komm gut nach Hause!

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  2. Herzliche Gratulation und liebe Grüsse!!!

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  3. Toll !!!
    Die Nachwirkung wird sich bald melden, und kräftig und lange anhalten. Möchte ich mal menen.

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